Maximilian MangoldGitarre • Laute • Historische Gitarre

Interviews

Mit tragfähigen Konzepten durch die Gitarrengeschichte
Maximilian Mangold im Gespräch mit Jörg Jewanski (Gitarre Aktuell 2/2007)

Mit 40 Konzerten im Jahr und demnächst 10 veröffentlichten CDs gehört Maximilian Mangold zu den im Augenblick aktivsten deutschen klassischen Gitarristen. Jedes Jahr erscheint eine neue Schallplatte von ihm, die im Sinne eines Konzeptalbums immer ein übergreifendes Thema aufweist und entweder einem Komponisten, einem bestimmten Zeitabschnitt oder einem Land gewidmet ist. Nach und nach erschließt sich Mangold das gesamte Repertoire. Dass so ein Konzept gerade in heutigen Zeiten, in denen der Trend zu leicht konsumierbaren Alben geht, tragfähig ist, zeigt sich daran, dass zwischen Aufnahme und Veröffentlichung nie länger als ein Jahr liegt, das Plattenlabel Musicaphon diese klare Linie also unterstützt. Nachdem seine bisherigen Schallplatten Themen des 20. Jahrhunderts behandelten, hat sich Mangold in jüngster Zeit mit der Musik des 19. Jahrhunderts beschäftigt, die er auf dem Nachbau einer historischen Gitarre spielt. Gleichzeitig beginnt er, seine kammmermusikalischen Aktivitäten auch auf Schallplatte zu dokumentieren und hat demnächst erscheinende CDs mit einem Fortepiano-Spieler und einer Traversflötistin aufgenommen.

Nach 7 CDs mit Musik des 20. Jahrhunderts haben Sie nun 3 CDs mit Musik des 19. Jahrhunderts aufgenommen. Brauchten Sie einen stilistischen Ausgleich?
Nein, eigentlich nicht. Die Lebensdaten der Komponisten meiner bisherigen CDs liegen zwar alle im 20. Jahrhundert, deren Stilistik ist aber höchst unterschiedlich. Zwischen Federico Moreno Torroba oder Federico Mompou und Hans Werner Henze liegen schließlich Welten. Werke des 19. Jahrhunderts waren und sind immer Bestandteil meines Konzertrepertoires. Nachdem ich das richtige Instrument dafür gefunden hatte, lag es nahe, damit eine CD einzuspielen.
Sie spielen auf dem Nachbau einer Gitarre von Anton Stauffer, die dieser um 1840 in Wien gebaut hat. Das könnte also das Instrument gewesen sein, auf dem auch Caspar Joseph Mertz, der 1840 erstmals in Wien öffentlich auftrat, gespielt hat. Ist es die räumliche und zeitliche Übereinstimmung, die Sie zur Wahl dieser Gitarre gereizt hat, oder hat es noch andere Gründe?
Ich habe einige Instrumente probiert und mich schließlich für eine Stauffer-Kopie von Bernhard Kresse entschieden. Aus zeitgenössischen Presseberichten wissen wir, dass Mertz Stauffer-Gitarren gespielt hat. Ich würde die historische Authentizität aber sicher nicht so weit treiben und das Instrument danach auswählen. Mir gefiel an meiner Stauffer-Kopie vor allem ihr Klang und ihre Flexibilität. Im Gegensatz zu einer Panormo beispielsweise schienen mir mehr Klangfarben möglich. Meine Stauffer besitzt nicht nur einen sehr feinen, intimen und farbenreichen Klang, sondern ist zudem erstaunlich kräftig im Volumen, was mir bei Konzerten immer wieder bestätigt wird.
Wie haben Sie Spieltechnik und Interpretation auf dieses Instrument eingestellt?
Aufgrund der kleineren Mensur und des tieferen Kammertons ist die Saitenspannung geringer. Daher sind in der linken Hand viel mehr Bindungen möglich, die in den Faksimile-Ausgaben auch vielerorts eingetragen sind. Diesen Vorteil sollte man unbedingt nutzen. Das hat mich auch dazu geführt, ausnotierte oder in Variationen vorgeschriebene Wiederholungen zu verzieren. Einerseits erleichtert die kleinere Halsbreite für die linke Hand manches, andererseits ist es schwieriger, nicht an benachbarte Saiten zu stoßen. Tonbildung und Klanggestaltung unterscheiden sich sehr vom druckvollen Spiel einer modernen Gitarre. Auch wenn die Stimmung und die Saitenzahl gleich ist, dauert es schon eine Weile, bis sich die nötige Sensibilität entwickelt, um die dynamischen und klanglichen Möglichkeiten der Biedermeier-Gitarre differenziert und überzeugend zu nutzen.
Welche dynamischen und klanglichen Möglichkeiten hat denn eine Biedermeier-Gitarre, die eine heutige Konzertgitarre nicht hat?
Würde man die Biedermeiergitarre ähnlich kraftvoll spielen wie die heutige Gitarre, würde der Ton schnell ins Geräuschhafte umschlagen. Die Saiten sprechen schneller und leichter an, wodurch sich die Dynamik wunderbar ins Pianissimo ausreizen lässt. Das gesamte Klangbild gewinnt an Leichtigkeit, was der Gitarrenmusik dieser Zeit sehr entgegenkommt. Ich denke es ist vor allem das „Fingerspitzengefühl“, das sich dem Instrument anpassen lernen muss.
Wie sieht es mit dem Aufgreifen weiterer Spieltechniken des frühen 19. Jahrhunderts aus? Den angelegten Anschlag gab es noch nicht. Mit der damaligen geringeren Saitenspannung und dem geringeren Abstand zwischen den Saiten und dem Griffbrett war das Instrument für diese Technik auch gar nicht gedacht.
Da bin ich mir nicht so sicher. Astrid Stempnik schreibt in ihrer Mertz-Biographie, dass sowohl Apoyando als auch Tirando gebräuchlich gewesen seien, ohne dass diese Begriffe bereits verwendet wurden. Ich kann mir jedenfalls überhaupt nicht vorstellen, dass die Gitarristen damals diesen Anschlag nicht kannten. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass erst Tárrega eine so naheliegende Anschlagstechnik entdeckt haben soll. Ich verwende den Apoyandoanschlag selten, denn es kommt auf die Textur der Musik an. In Carullis Duos für Gitarre und Pianoforte gibt es einstimmige Passagen, in denen die Gitarre thematisch führt und die sich gut apoyando spielen lassen. Es ist wiederum eine Frage des Drucks, den man auf die Saite ausübt. Wie auf der heutigen Gitarre auch ist Apoyando nicht nur eine Frage der Lautstärke, sondern auch der Klangfarbe. Sor wird sicherlich nicht Apoyando gespielt haben. Er empfiehlt Bindungen und spricht sich generell in Läufen gegen das Spiel „gestoßener Noten“ aus.
In Carullis „Vollständiger Guitarren-Schule“ liest man, dass bei Skalen die Basssaiten mit dem Wechsel aus Daumen und Zeigefinger und nur die drei Diskantsaiten abwechselnd mit Zeige- und Mittelfinger gespielt wurden.
Das Gleiche kann man auch in der Sor-Schule nachlesen. Für beide spielte wohl eine wichtige Rolle, dass sie für Läufe in Richtung der Basssaiten die rechte Hand- und Armposition nicht verändern wollten. Das ist aber heute eine Selbstverständlichkeit; die Gitarrentechnick ist hier weiter fortgeschritten und ich sehe keinen Grund, dies nicht einzusetzen. Interessanter finde ich den musikalischen Effekt des Wechsels von Daumen und Zeigefinger, eigentlich eine typische Lautentechnik, die eine ausgeprägte Schwer-Leicht-Artikulation zur Folge hat, und dafür würde ich diese Kombination auch einsetzen.
Wie entstand die Zusammenarbeit mit einem Fortepiano-Spieler? Im Vergleich zu anderen Kammermusikbesetzungen hört man heute diese Kombination eher selten, obwohl z.B. Mauro Giuliani mit Johann Nepomuk Hummel und Ignaz Moscheles zusammen spielte.
Meinem Duo mit dem Fortepiano-Spieler Kristian Nyquist ging unsere Zusammenarbeit in der Besetzung Cembalo und moderne Gitarre voraus, die wir nach wie vor ebenso pflegen. Als ich anfing Biedermeiergitarre zu spielen, ergab sich damit die Kombination mit dem Hammerflügel. Die Werke für diese Besetzung sind auch für den Pianisten sehr interessant. Die Duos von Carulli oder die beiden Rondos von Giuliani sind nicht nur sehr virtuos, sondern auch wirklich hochwertiges Kammermusikrepertoire. Wir haben schon viele Konzerte mit ausschließlich Duo- und Solowerken des frühen 19. Jahrhunderts gegeben. Das ist ein tragfähiges und wirkungsvolles Programmkonzept.
Wie ist das klangliche Verhältnis im Zusammenspiel von historischer Gitarre und Fortepiano bzw. Traversflöte?
Historische Gitarre und Fortepiano sind sich wesentlich näher als ihre modernen Pendants. Die dynamische Balance der historischen Instrumente ist viel leichter zu handhaben als die moderne Variante. Man erreicht auch einen höheren Grad an klanglicher Verschmelzung. Das gleiche gilt auch für mein Duo mit Traversflöte. Obwohl zu Giulianis Zeiten auch schon die Böhm-Flöte in Gebrauch war, die aber zunächst viel leiser war als heute, klingt diese Musik auf der Traversflöte viel besser. Hier sind viel mehr Farben möglich und die Tonarten haben ihre eigene Charakteristik. Darüber hinaus ist es einfach unglaublich interessant und aufschlussreich, diese Musik mit Kammermusikpartnern zu interpretieren, die Spezialisten auf dem Gebiet der Alten Musik sind.
Gitarristen sind ja im Vergleich zu Lautenisten in Bezug auf Aufführungspraxis Alter Musik relativ unbeleckt. Wenn wir mal die Spieltechnik aussen vor lassen - was war denn interpretatorisch aufschlußreich in der Zusammenarbeit mit Fortepiano- und Traversflötenspieler? Können Sie einige Beispiele nennen?
Die Verzierungspraxis hat meine Sichtweise der Sonaten für Gitarre und Basso Continuo von Tomasso Giordani sehr beeinflusst. In diesen Sonaten habe ich sehr viel verziert und diminuiert. Auch in den Carulli-Duos haben wir uns einige Freiheiten genommen. Ich wollte außerdem die differenzierte Artikulation soweit möglich auf die Gitarre übertragen. Kristian Nyquist spielt auch viel Cembalo. Hinsichtlich der agogischen Gestaltung konnte ich sehr viel Gemeinsamkeiten entdecken. Wie auf dem Cembalo muss man bei der Gitarre die Dynamik agogisch unterstützen.
Wenn man Werke von Mozart in Bearbeitungen seiner Zeit spielt, steht man als Spieler zwischen den Anforderungen damaliger Hausmusik und denen des heutigen Konzertbetriebes. Gerade Andreas Traeg und J. G. Busch haben Kürzungen im musikalischen Satz vorgenommen, um die Stücke für den Dilettanten - im damaligen positiven Wortsinn - spielbar zu machen. Sind die Werke, die Sie ausgesucht haben, in dieser Bearbeitung auch heute noch musikalisch interessant oder ist es historisches Interesse im Sinne von: Wie spielten es Gitarristen damals? Anders gefragt: Halten die von Ihnen gewählten Bearbeitungen einem Vergleich mit dem Original stand?
Man muss wissen, dass das Niveau der Hausmusik damals sehr hoch war. Die große Zahl Musikausübender aus Bürgertum und Aristokratie bewirkte eine rege Nachfrage nach kammermusikalischen Transkriptionen populärer großer Werke. Bearbeitungen erlaubten es dem Musikfreund, ein Konzerterlebnis durch eigenes Musizieren nochmals zu vergegenwärtigen. Wer ohne die Möglichkeiten heutiger Medien Musik hören wollte, mußte selbst musizieren oder Musiker engagieren. Diese Arrangements wurden daher höchstwahrscheinlich auch von professionellen Gitarristen gespielt, die z.B. eine Begleitstimme zu den Arien, die Busch eingerichtet hat, virtuoser gestalteten und mehr verzierten als es im Notentext stand. Diese Freiheit habe ich mir auch genommen. Selbstverständlich sind die Stücke reduziert worden, aber es sind überaus gelungene Transkriptionen.
Spielen Sie die Bearbeitungen aus den Drucken jener Zeit oder ergänzen Sie hier und da etwas aus Mozarts Originalen?
Wir spielen die Bearbeitungen aus der damaligen Zeit bzw. aus den heute davon erhältlichen Ausgaben. Das Original haben wir natürlich studiert und daraufhin einige Wiederangleichungen vorgenommen. Zum Beispiel ist Traegs Bearbeitung des Gitarrenparts in der A-Dur Sonate stellenweise etwas merkwürdig, denn im Menuett werden Stellen bearbeitet, die man problemlos aus dem Original übernehmen kann.
Die Frage nach dem Verhältnis von Orignal und Bearbeitung stellt sich bei einem weiteren Ihrer aktuellen Projekte nicht. Wie kam es, dass Ulrich Leyendecker ein Gitarrenkonzert für Sie geschrieben hat?
Kurz vor meiner CD-Aufnahme „Meisterwerke der klassischen Moderne“ spielte ich Ulrich Leyendecker sein „Verso Parsifal“ vor. Es ist sein bisher einziges Werk für Gitarre, komponiert 1982. Er war erfreulicherweise sehr angetan. Es fand ein reger Gedankenaustausch statt und er fragte mich, ob ich für ein weiteres Gitarrenwerk mit ihm zusammenarbeiten wollte. Daraus entstand dann das mir gewidmete Gitarrenkonzert.
Wie der Name „Verso Parsifal“ verrät, nähert sich Leyendecker durch ständige Metamorphosen des Ausgangsmaterials dem Vorspiel zum 3. Akt von Wagners „Parsifal“ an, ohne es zu erreichen. Leyendecker, Jahrgang 1946, gehört zu den Komponisten, die Neue Musik und Romantik im Sinne der musikalischen Sprache von Alban Berg vereinen. Wie ist die Musik zu seinem Gitarrenkonzert?
Das Konzert ist dreisätzig und für große Orchesterbesetzung komponiert, aber sehr geschickt instrumentiert. Obwohl im Vierviertel-Takt geschrieben, wollte Leyendecker diesen Satz ursprünglich als Sarabande bezeichnen, um dessen Gestus zu verdeutlichen. Er erinnert auch etwas an „Verso Parsifal“. Die Musik pulsiert darin im romantischen Sinne, manchmal wie auskomponierte Agogik. Der zweite Satz ist ebenfalls langsam mit einem Allegretto-Mittelteil. Der letzte Satz gleicht einer Gigue, welche im Grunde nur aus einem Motiv besteht, das zahlreichen Wandlungen unterworfen wird. Die Harmonik ist atonal, aber es gibt immer wieder tonale Zentren und Dur-Moll-Klänge. Melodik und Gestus der ersten beiden Sätze sind ausgeprägt lyrisch, während der letzte Satz ungestüm vorwärts drängt. Leyendeckers Musik klingt nicht avantgardistisch und das gilt auch für sein Gitarrenkonzert. Es bleibt bei aller Modernität fassbar, wirkt nicht konstruiert sondern emotional und besitzt einen gelungenen dramaturgischen Aufbau. Es ist im besten Sinne des Wortes lebendig und klangsinnlich. Man spürt immer noch eine Verbindung zur Tradition.
Wie sehen Ihre weitere Pläne aus, die Sie hier verraten können, ohne der Konkurrenz zuviele Tipps zu geben?
Da mir die Kammermusik genauso wichtig ist wie meine solistische Arbeit, wird es als nächstes eine CD mit meinem „Trio Kontraste“ in der Besetzung Flöte, Bratsche und Gitarre geben. Meine Zusammenarbeit mit dem Streichquartett „Vlach-Quartett-Prag“ wird auch bald auf CD festgehalten werden. Als Soloprogramme plane ich eine CD mit Ponce-Sonaten und ein Folgeprogramm als Vol. II meiner CD „Meisterwerke der klassischen Moderne“. Darüber hinaus möchte ich mich intensiver der Barockmusik zuwenden.

„König der Wintermusik“
Interview mit Jörg Hillebrand (Fono Forum 4/2005)

Gitarristen werden in unserer Zeitschrift nicht eben häufig porträtiert. Ich habe in unserem Archiv nur ein halbes Dutzend gefunden, und die ersten drei waren keine geringeren als Andres Segovia [FF 1/1959], Julian Bream [FF 11/1974] und Pepe Romero [FF 11/1994].
Die Größen unseres Fachs.
Wie würden Sie sich in ihrem Gefolge einordnen? Wem verdanken Sie mehr, wem eher weniger?
Andres Segovia hat die Gitarre in die Konzerthäuser gebracht und sehr viel neues Repertoire angeregt. Aber am meisten bewundere ich Julian Bream. Er hat der Gitarre den Weg in die Moderne gewiesen. Das Repertoire, das er angeregt hat, spiele ich ganz besonders gern: Henze, Britten, Tippett, Walton, Bennett.
Dann muss es Sie ja ganz besonders stolz machen, wenn unser Rezensent Ihre Aufnahme von Henzes „Royal Winter Music“ als Referenzeinspielung klassifiziert und somit über die des Widmungsträgers Bream stellt.
Ja, damit fühle ich mich sehr geehrt. Für mich ist die „Royal Winter Music“ ein Meilenstein im Repertoire, wenn nicht das Gitarrenwerk des 20. Jahrhunderts schlechthin. Henzes musikalischer Einfallsreichtum in der Gestaltung der Shakespeare-Charaktere ist faszinierend. Er hat mit diesen Sonaten ganz große Musik geschrieben. Es gibt darin bezaubernd schöne lyrische Sätze aber auch dramatische und sehr effektvolle, in denen er die Möglichkeiten und den Farbenreichtum der Gitarre voll ausschöpft und zur Geltung bringt. Im Bereich der Oper und des Balletts gibt es viele Shakespeare-Vertonungen, aber es gibt kaum einen so langen Zyklus für ein Soloinstrument.
Sie sind einer der wenigen Gitarristen, die die „Royal Winter Music“ auch im Konzert komplett aufführen. Worin liegen denn die immensen Schwierigkeiten dieses Werkes? Allein in der Länge?
Ein umfangreicher Zyklus ist gerade das, was mich reizt. Bream bat Henze um ein Werk, das für die Gitarre das bedeuten sollte, was die Hammerklaviersonate für die Klavierliteratur darstellt. Sicherlich ist die „Royal Winter Music“ technisch schwer, aber man kann sie bewältigen. Man muss diese Musik lieben, dann findet man einen Zugang.
Henze führt uns zu einem weiteren Gitarristen, der in unserer Zeitschrift porträtiert wurde: Stefan Stiens [FF 5/2001]. Der hat die „Royal Winter Music“ mit Lautenwerken von John Dowland kombiniert. Sie spielen auch Lautenmusik, aber im Gegegnsatz zu Stiens auf der Gitarre. Warum?
Die Laute ist ein eigenes Instrument. Die Rechte-Hand-Technik und Tonbildung der Gitarristen und Lautenisten ist ziemlich verschieden. Eine Laute ist chorisch bespannt, und wenn man sie mit Fingernägeln spielt wie eine Gitarre, klingt das nicht gut.
Dass Sie nicht Laute spielen, bedeutet keineswegs, dass Sie historischen Instrumenten gegenüber nicht aufgeschlossen wären: Das klassische Repertoire spielen Sie auf einer historischen Gitarre. Was für ein Instrument ist das genau?
Ich spiele die Rekonstruktion einer Gitarre des Wiener Instrumentenbauers Johann Anton Stauffer von ungefähr 1840. Die Musik des 19. Jahrhunderts ist damit ganz anders darstellbar. Sie gewinnt an Leichtigkeit, und durch die tiefere Stimmung entsteht ein dunkleres, wärmeres Klangbild.
Was sind denn die konkreten Unterschiede zu einer modernen Gitarre?
Das Instrument ist viel leichter gebaut. Es hat eine kürzere Mensur und eine kleinere Halsbreite. Die Saitenspannung ist geringer. Dadurch kann man anders artikulieren und in der linken Hand viel mehr binden.
Auf dieser historischen Gitarre haben Sie gerade Werke von Johann Kaspar Mertz eingespielt. Bitte stellen Sie diesen Komponisten unseren Lesern kurz vor!
Mertz wurde 1806 in Bratislawa geboren und lebte bis 1856, davon lange Zeit in Wien. Während seine Zeitgenossen Sor, Carulli oder Giuliani noch deutlich im klassischen Stil verhaftet waren, ist Mertz richtiggehend Romantiker. Für meine Einspielung habe ich überwiegend seine poesievollen, lyrischen Charakterstücke ausgesucht, weniger seine virtuosen Fantasien über beliebte Opernthemen.
Zwischen dem Frühromantiker Mertz und den eingangs erwähnten Komponisten der klassischen Moderne, die für Julian Bream geschrieben haben, liegt ein Bereich der Gitarrenliteratur, der unter Fachleuten schlicht als „Segovia-Repertoire“ bezeichnet wird. Finden Sie nicht, dass Segovia und die ihm zuarbeitenden Komponisten manchmal allzu populistisch zu den Stilmitteln der Folklore gegriffen haben?
Man muss Segovia sicherlich kritisch betrachten, aber man darf seine Leistung auch nicht schmälern. Die Komponisten, die für ihn geschrieben haben und die ich auch sehr gerne spiele - Ponce, Castelnuovo-Tedesco, Torroba, Turina und viele andere-, bilden eine wesentliche Säule unseres Repertoires. Ich würde das Segovia-Repertoire auch nicht als „folkloristisch“ bezeichnen. Der Begriff hat immer etwas Halbseidenes an sich. Kein Mensch käme auf die Idee, Granados oder Albéniz unter „Folklore“ einzuordnen. Man würde hier eher von einem „Nationalstil“ sprechen. Vielleicht kommt dieses Mißverständnis daher, dass die Spieltechnik zuweilen vom Flamenco beeinflusst ist. Aber die klassische spanische Gitarrenmusik hat eigentlich mit Flamenco nicht viel zu tun.
Von Castelnuovo-Tedesco haben Sie „Platero und ich - andalusische Elegie“ aufgenommen, ein Werk für Gitarre und Sprecher. Wie ist es aufgebaut?
Castelnuovo-Tedesco hat aus dem gleichnamigen Buch von Juan Ramón Jiménez, der dafür übrigens den Nobelpreis erhielt, 28 Kapitel ausgewählt und diese zauberhaften Prosagedichte in Form eines Melodrams kongenial vertont. Dieses Werk ist wirklich ein Juwel im gesamten Gitarrenrepertoire. Es ist die Geschichte eines Ich-Erzählers und eines kleinen Esels auf ihren Streifzügen durch die andalusische Landschaft. Die Geschichte ist sehr anrührend, mal zum Schmunzeln, mal nachdenklich. Sie endet traurig, aber auch sehr hoffnungsvoll. Text und Musik sind eng miteinander verknüpft. Trotzdem der Text rhythmisch nicht fixiert ist, benötigt man einen Sprecher mit fundierten musikalischen Kenntnissen. In manchen Stücken gibt es auch kürzere Gesangspassagen.
Sie spielen auch viel Kammermusik. Um welche Ensembles handelt es sich dabei?
Die Kammermusik ist eine große Leidenschaft von mir. Ich konzertiere zusammen mit dem Streichquartett Vlach-Quartett Prag. Im Duo mit Kristian Nyquist spiele ich in den Besetzungen historische Gitarre und Hammerflügel sowie moderne Gitarre und Cembalo. Außerdem trete ich auch mit dem Pianisten Wolfgang Döberlein auf und im Duo mit der Flötistin Stephanie Hamburger sowie im Trio mit ihr und dem Bratscher Chritian Euler. Es gibt für all diese Besetzungen sehr viel hervorragendes Originalrepertoire.
Was nehmen Sie als nächstes auf?
Ich würde gerne eine CD mit Sonaten von Ponce aufnehmen. Dann vielleicht ein italienisches Programm mit historischer Gitarre und Hammerflügel. Vielleicht auch etwas mit meinem Trio: Flöte, Bratsche, Gitarre. Und ganz bestimmt bald wieder eine moderne Platte mit jüngeren Komponisten.

„Souverän“
Interview mit Holger Reuning (Akustik-Gitarre 6/2004)

Er gehört sicher zu den eher bescheidenen Menschen, er drängt sich nicht in den Vordergrund und ist frei von Arroganz, mit anderen Worten, ein sehr angenehmer Gesprächspartner. In seiner Ruhe ist er aber äußerst überzeugend und macht in und mit der Musik nichts unbedachtes. Dennoch klingt sein Spiel nicht akademisch oder gekünstelt sondern voller Gefühl und voller Spaß an der Musik. Das Fono Forum krönt ihn zu dem „im Augenblick interessantesten deutschen Gitarristen“. Er besitzt ein enorm großes Repertoire, das sich auch in zahlreichen CD-Einspielungen dokumentiert, die in der Fachpresse als Referenzeinspielungen gepriesen werden. So wundert es keinen, dass er Preisträger einer großen Zahl renomierter Wettbewerbe und ein gern gesehener Gast auf großen Festivals und Musikreihen, auch außerhalb der Gitarrenszene ist. Er ist kein Mensch für das Banale oder für die Effekthascherei, er will mehr von der Musik als nur einen kurzen Moment, sie soll ihn und seine Zuhörer auch nach dem Konzert noch berühren und ausfüllen können. Dieses Ziel ist hoch gesteckt und Maximilian Mangold schafft es, nicht dahinter zu bleiben. Die 1½ Stunden des Platero-Programms im Bad Hersfelder Buchcafé vergingen wie im Flug und wäre es doppelt so lang gewesen, wir hätten die Zeit nicht gemerkt. Jetzt, einige Wochen später hatten wir die Möglichkeit zu diesem Interview, eine Chance die ich gern genutzt habe.

Wir haben uns nach einem Konzert kennen gelernt, in dem du zusammen mit dem Sprecher Stefan Müller-Ruppert Mario Castelnouvo-Tedescos wunderschöne Vertonung des Buches „Platero und ich“ auf eindrucksvolle Weise aufgeführt hast. Wie seid ihr auf dieses Stück gekommen?
Die Notenausgabe von „Platero und ich“ war mir schon lange bekannt, ebenso das gleichnamige Buch von Juan Ramón Jiménez. Mir fehlte nur der richtige Sprecher. Als ich dann zufällig Stefan Müller-Ruppert in einer Opernaufführung erlebte, wurde mir schnell klar, dass er der Richtige ist. Ein „Nur-Schauspieler“ genügt nämlich nicht. Für „Platero und ich“ muss der Sprecher ein wirklich fundiertes musikalisches Verständnis haben.
Der „Platero“ von euch klingt so selbstverständlich, aber kann man dieses Stück üben wie ein Werk für Gitarre und Gesang?
Es ist für den Sprecher sehr schwierig den Sprachfluss zeitlich so zu gestalten, dass er mit Castelnuovo-Tedescos musikalisch textnaher Ausdeutung übereinstimmt. Wir haben jeden Satz geprobt und dann mit und ohne Text aufgenommen. Stefan hat viel mit meiner Gitarrenstimme vom Band alleine geübt. Er musste für sich eine ganz eigene Zeichensprache entwickeln, um das Sprechtempo beim Rezitieren genau zu finden. Darüber hinaus hat er sich auch alle wichtigen musikalischen Fixpunkte in den Text eingetragen. Hinzu kommt, dass wir den Zyklus oft aufführen und das ist natürlich die beste Übung.
Das Duo Gitarre und Sprecher ist nur eines deiner Ensembles, könntest du dir vorstellen, dass die Kammermusik eine Chance ist die Gitarre wieder einem breiteren Publikum näher zu bringen?
Ich glaube schon. Mit „Platero und ich“ spricht die Verbindung von Musik und Literatur einen Interessentenkreis an, der über die Gitarrenliebhaber hinausreicht. Besonders, wenn man mit anderen Instrumenten Ensembles bildet, erreicht man auch Zuhörer außerhalb der Gitarrenszene. Aber deshalb habe ich die Ensembles, in denen ich spiele, eigentlich nicht initiiert. Der Grund liegt vielmehr in der Inspiration und Herausforderung, die davon für mich ausgeht. Mir macht das unglaublich viel Spaß.
Du hast noch vier weitere Ensembles, wo liegen da die Schwerpunkte?
Mit dem Vlach-Quartett Prag konzertieren wir zum einem mit einem spanischen und zum anderen mit einem italienischen Programm, wobei sich jeweils Gitarren-Quintett, Streichquartett und Gitarre solo abwechseln. Mit Stephanie Hamburger, Flöte spiele ich Werke aus allen Epochen. Mit ihr und dem Bratscher Christian Euler bilden wir das „Trio Kontraste“. Neben Werken des 19. Jahrhunderts haben wir auch viel Zeigenössisches im Repertoire. Ganz aktuell ist mein Duo mit dem Cembalospieler Kristian Nyquist.
Ist das dein Beitrag zur Barockmusik?
Wir spielen ein Programm in dem sich Neue und Alte Musik abwechseln. Die Sonaten von Tommaso Giordani und Francesco Geminiani, die eigentlich für die „English Guitar“ geschrieben wurden, klingen sehr schön in dieser Besetzung. Wir wollen künftig noch mehr zeitgenössische Musik erarbeiten, wobei wir nicht nur moderne Musik im eigentlichen Sinne des Wortes spielen, sondern z.B. auch die Sonate von Ponce und die Werke von Juan Manuel Cortes. Außerdem haben wir auch ein Programm für Hammerflügel und historische Gitarre mit Werken des 19. Jahrhunderts.
Neben deiner Ensembletätigkeit trittst du auch viel solistisch auf, und hast dich als einer der wenigen an Hans Werner Henzes „Royal Winter Music“ gewagt und eine viel gerühmte Reverenz-CD eingespielt. Was ist das Besondere an diesem Werk?
Die beiden „Royal Winter Music-Sonaten“ beruhen in den einzelnen Sätzen auf Gestalten aus Shakespeare-Dramen. Gleichwohl ist das keine Programmmusik. Die Shakespeare-Figuren sind für Henze lediglich Inspirationsquelle. Henze ist hier eine unglaublich emotionale, dramatische und in großen Teilen auch lyrische Musik gelungen. Es ist ein einzigartiger Zyklus und ein Werk, das überall hoch geschätzt wird, weil es große Musik ist.
Wer gehört für dich noch in die Reihe der großen Geister die für Gitarre komponiert haben?
Das goldene Zeitalter der Gitarre ist das 20. Jahrhundert. Fast jeder große Komponist unserer Zeit hat für Gitarre geschrieben. Das sind Werke, die auch in der allgemeinen Klassikszene anerkannt wären, wenn sie denn nur öfters gespielt werden würden. Neben Henze denke ich da an die vielen englischen Komponisten, die für Bream geschrieben haben, also Britten, Walton, Berkley, Tippet, Maxwell Davies u.a. Darüber hinaus Takemitsu, Carter, Ginastera, Jolivet, Petrassi, Leyendecker, Takacs, Hetú, Berio und viele andere, aber auch zahlreiche jüngere Komponisten wie Glanert, Heusinger, Müller-Wieland, um nur einige zu nennen. Es ist eine große Chance sich dieser Werke anzunehmen. Es sind Werke von Komponisten, deren Opern, Sinfonien, Streichquartette usw. gespielt werden. Bei solchen Komponisten, die nicht nur in der Gitarrenszene Bedeutung haben, liegt für mich ein maßgeblicher Bereich für die Zukunft.
Wie steht es mit Moreno-Torroba, dem du eine wunderschöne ganze CD gewidmet hast?
Vieles aus dem sogenannten Segoviarepertoire ist wunderbare Musik. Speziell Torroba ist für mich, das mag vielleicht etwas hochgegriffen sein, so etwas wie „der Mozart des Spanischen Nationalstils“, denn er besitzt außerordentlich großen melodischen Einfallsreichtum. Seine Musik ist voller Poesie und die impressionistische harmonische Sprache ist auf der Gitarre enorm wirkungsvoll. Besonders die „Puertas de Madrid“ und die „Pièces caractéristiques“, welche auch auf meiner CD sind, sind Perlen in der Spanischen Gitarrenmusik. Das spanische Repertoire liebe ich überhaupt sehr. Meine neueste CD ist deshalb erneut eine spanische und Federico Mompou gewidmet. Neben der „Suite compostelana“ habe ich von Jörg Falk einige ganz tolle Bearbeitungen von Mompous „Cancion y danzas“ aufgenommen, welche auf katalanische Liedern beruhen.
Welche Projekte hast du als nächstes geplant und soll es eine neue CD geben?
Im Herbst 2004 wird eine CD mit Werken von Caspar Joseph Mertz, eingespielt auf einer historischen Gitarre, erscheinen. Weiter plane ich zusammen mit K. Nyquist eine CD mit Werken für historische Gitarre und Hammerflügel. Mit der Biedermeiergitarre möchte ich gerne Kammermusik im Duo mit historischer Klappenflöte machen. Außerdem schwebt mir eine Ponce-CD und ein weiteres CD-Projekt mit Werken der klassischen Moderne vor. Zur Zeit bereite ich mich neben Konzerten auch auf eine Rundfunkproduktion für den SWR vor. Hierbei handelt es sich um Solowerke von Jolivét, Glanert und Smith Brindle.
Gibt es für die Klassische Avantgard wie Jolivét oder Henze eine Hörerschaft oder ist das eher Musik für einen kleinen, sehr speziellen Hörerkreis?
Diese Hörerschaft gibt es durchaus. Ich glaube, dass der Kreis jener Musikliebhaber, die sich allgemein für das 20. Jahrhundert und dessen herausragenden Komponisten interessieren, vielleicht sogar größer ist als die Liebhaber typischer Gitarrenmusik. Das bezieht sich aber mehr auf meine CD-Konzeptionen. Meine Konzertprogramme richten sich natürlich schon danach, ob ich in einer Reihe für Neue Musik spiele oder ein Konzert vor einem nichtspezialisierten Hörerkreis.
Hast du eine Idee, welchen Weg die „klassische“ Musik in der ersten Hälfte des neuen Jahrhunderts nehmen wird?
Das ist eine schwierige Frage und meine Antwort kann nur eine sehr persönliche Einschätzung sein. Die wirtschaftliche Gesamtsituation und der Umfang an Förderung der klassischen Musik werden sich mittelfristig kaum wieder bessern. Schade ist - und davon sind wir Gitarristen besonders betroffen - dass zwar weiterhin viel Geld in große Eventveranstaltungen investiert wird, die komunale Kulturförderung von Kammermusikkonzertreihen in kleineren Städten aber ständig abnimmt. Was mich umtreibt, ist der Modetrend zum „Crossover“ und „Classic Light“, den man gerade auch in der zeitgenössischen Gitarrenmusik beobachten kann. Mir erscheint das als eine Verflachung des Anspruchs und diesen Weg will ich nicht gehen. Ich bin sicher, dass es auch weiterhin einen Bedarf an anspruchsvoller klassischer Musik geben wird. Die Neue Musik hat nach 1945 sicherlich so manche Entwicklung genommen, die man nicht ganz nachvollziehen kann. Das bewußte Brechen mit der Tradition und die Konstruktion des Werkes hatten Vorrang vor der inhaltlichen Aussage und dem persönlichen Ausdruck. Das ist jedoch längst vorbei und es gibt viele junge Komponisten, die spannende Musik schreiben, sich aber keineswegs dem gefälligen Zeitgeist annähern.

M. Mangold und M. Schröder im Gespräch mit Kurt Hiesl
(Concertino 4/2009)

Die Besetzung Gitarre und Harfe schwebt mir schon lange als Möglichkeit vor und ich wundere mich, dass diese bisher von Gitarristen nicht praktiziert wird. Zumindest ist mir das nicht bekannt. Maximilian Mangold, nicht nur ein gefragter und renommierter Solist sondern auch ein äußerst aktiver Kammermusiker, konzertiert seit einigen Jahren auch im Duo mit der Harfenistin Mirjam Schröder. Mirjam Schröder ist Preisträgerin des ARD-Wettbewerbs, Dozentin an der Hochschule für Musik Weimar und gastiert wie ihr Duopartner auch auf internationalen Podien. Maximilian Mangold und Mirjam Schröder spielten in der Reihe „Recital Gitarre International“, deren künstlerischer Leiter ich bin, in der Nürnberger Meistersingerhalle ein beeindruckendes Konzert, dessen Wirkung viele Zuhörer noch lange danach berührte. Ich habe diese Gelegenheit gerne wahrgenommen, nachfolgendes Gespräch zu führen.

Kurt Hiesl: Mirjam und Maximilian, wie entstand eigentlich Eure Zusammenarbeit?
M. Mangold: Obwohl ich diese Idee schon während meiner Studienzeit hatte, habe ich sie nie wirklich weiterverfolgt. Zum einen kannte ich keine passende Kammermusikpartnerin und zum anderen waren mir keine Originalwerke bekannt. Ich erzählte zufällig einem Konzertveranstalter von meiner Idee, ohne damit eigentlich eine konkrete Absicht zu verbinden. Mirjam und ich traten beide bei ihm schon mehrfach auf, ohne voneinander zu wissen. Er war begeistert davon, empfahl mir Mirjam und hatte ziemlich schnell ein Konzert in Aussicht gestellt. So nahm das Ganze seinen Lauf. Ich habe dann intensiv recherchiert und Originalwerke gefunden, so dass wir neben ein paar Bearbeitungen der „Danzas Espagnolas“ von Granados ein schönes Programm zusammenstellen konnten.
Ich war sehr erstaunt, dass die dynamische Balance bei Eurem Konzert so problemlos gut funktionierte. Wie ist es für Dich als Harfenistin mit Gitarre zu spielen, musst Du Dich sehr zurückhalten?
M. Schröder: Als Max mich fragte, ob wir ein Duo gründen wollten, war ich mir nicht sicher, ob wir damit wirklich etwas Interessantes aufbauen könnten. Ich hatte befürchtet, dass die Instrumente sich gegenseitig beschränken würden. Inzwischen sehe ich das natürlich ganz anders. Die beiden Instrumente bereichern sich klanglich! Natürlich muß ich manchmal aufpassen, die Gitarre nicht zu übertönen, aber gleichzeitig ist es sehr spannend, nach Farben zu suchen, die sich mit der Gitarre gut mischen. Außerdem sind wir sehr gut aufeinander eingespielt und Max sagt sogar öfters, ich solle lauter spielen. Manchmal sind in den Kompositionen die Instrumente jedoch so gegensätzlich behandelt, dass sich das Balanceproblem gar nicht wirklich stellt. Einerseits können beide Instrumente höchst unterschiedlich klingen. Andererseits können sie klanglich auch so sehr verschmelzen, dass der Zuhörer Mühe hat, die Instrumente auseinander zu halten. Nach Konzerten hören wir oft vom Publikum, es sei ein wahres „Konzert der Stille“ gewesen, ein Konzert der leisen Töne und ein Konzert, bei dem man sehr viele neue und verschiedenartige Farben hören konnte.
M. Mangold: Im Vergleich zum Gitarrenduo hat man mehr klangliche Möglichkeiten, denn die Harfe hat einen größeren Tonumfang und ist klangvoller; dadurch ist unsere dynamische Bandbreite größer.
Wie sieht es mit dem Repertoire aus, gibt es viele originale Werke?
M. Mangold: Es gibt nicht sehr viele Originalwerke. Von den wenigen, die wir gefunden haben, wollten wir auch nicht alle spielen, weil sie uns nicht gefielen. Tolle Stücke sind jedoch die sehr von Bartok beeinflusste Sonate von Eric Sessler und die Ballade von Jurriaan Andriessen. Beide Stücke haben wir auch auf unserer CD aufgenommen.
Vier der fünf Duo-Werke in Eurem Konzert waren Originalkompositionen, welche Euch gewidmet wurden. Wie habt Ihr es geschafft in so kurzer Zeit so viele Komponisten anzuregen, für Euch zu schreiben?
M. Mangold: Das ist bei jedem Komponisten eine Geschichte für sich. Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir möglichst wenig bearbeiten und ein völlig neues Repertoire aufbauen wollen. Daher sind wir den Komponisten äußerst dankbar. Bei Juan Manuel Cortés war es so, dass ich schon viele seiner Werke kannte und mir einfach sehr gut vorstellen konnte, dass seine Musik zu unserer Besetzung hervorragend passen würde. Daher entschloss ich mich, ihm das einfach so zu schreiben und ihn zu fragen. Vermutlich hat er das auch so empfunden, denn sein Stück war das erste, das für uns fertig wurde. Ulrich Leyendecker kenne ich schon lange persönlich. Ich habe sein „Verso Parsifal“ für Gitarre Solo, das Reinbert Evers gewidmet ist, aufgenommen und Ulrich Leyendecker im Zuge dessen kennen gelernt. Er schrieb dann, zu meiner großen Ehre, ein Konzert für Gitarre und Orchester für mich. Ulrich Leyendecker schätzt die Gitarre, ist sehr offen und war gleich sehr angetan von meinem Vorschlag, etwas für uns zu komponieren. Seine „Mitternachtsmusik“ ist ein romantisches Nocturne und für die Harfe sehr anspruchsvoll. Ein absoluter Glücksfall ist natürlich die für uns komponierte „Suite Mágica“ von Máximo Diego Pujol. Mit Pujol hatte ich lediglich per Email Kontakt aufgenommen. Für ihn war mein Vorschlag vielleicht gar nicht so ungewöhnlich, denn ich habe schon von mehreren Seiten gehört, dass die Besetzung Gitarre-Harfe in der südamerikanischen Folklore eine gewisse Tradition besitzt. Das Stück ist ein echter Publikumsrenner und fulminanter Schluss für ein Konzert. Darüber hinaus möchte ich aus unserem Repertoire noch „Rondes“ von Alois Bröder erwähnen. Alois Bröder kam vor zwei Jahren auf mich zu und hat mir Stücke von sich vorgestellt, die mir sehr gut gefielen. Er ist ein äußerst phantasievoller Komponist. Ich erzählte ihm dann, dass ich an einem neuen Stück für Gitarre und Harfe außerordentlich interessiert wäre und er ist prompt auf meinen Wunsch eingegangen.
Mir gefiel in Eurem Nürnberger Konzert besonders, dass die zeitgenössischen Originalwerke so unterschiedlich waren, mal impressionistisch, mal ein bisschen Tango, südamerikanischer Walzer und dann wieder etwas moderner. Avantgardistisch war eigentlich keines der Werke. Selbst bei „L'aura serena“, das wahrscheinlich progressivste Stück, von Jörg-Peter Mittmann gab es eine Anlehnung an Alte Musik. Wie habt Ihr Jörg-Peter Mittmann kennen gelernt und wie kam es zur Widmung von „L'aura serena“?
M. Schröder: Jörg-Peter Mittmann ist neben seine Tätigkeit als Komponist Leiter des „Ensemble Horizonte“, ein Ensemble für zeitgenössische Musik in dem ich schon seit vielen Jahren regelmäßig mitwirke. Jörg-Peter Mittmann war auch gleich an einer Zusammenarbeit mit uns interessiert und hatte, wie er in seinem Werktext schreibt, zu der Besetzung Harfe/Gitarre „die unmittelbare Assoziation einer Atmosphäre vornehmer Zurückgezogenheit, feiner leiser Klänge“. Er stellt sich eine Stimmung wie auf den Musiker-Darstellungen von Jan Vermeer aus dem 17. Jahrhundert vor. Daher auch der Bezug auf die zeittypische harmonische Form der Folia. Wir spielen das Stück gerade häufig und sehr gerne.
Ihr habt Eure CD in Anlehnung an Pujols „Suite Mágica“ „Musica Mágica“ genannt. Ist das für Euch das zentrale Werk der Einspielung?
M. Schröder: Nein, uns ist jede Komposition gleich wichtig. Die Idee zu diesem Titel kam mir, weil sich im Zusammenspiel der beiden Instrumente immer wieder Farben und Klänge ergeben die ich durchaus „magisch“ bezeichnen würde.
Plant Ihr genau, welche Komponisten Ihr ansprecht?
M. Mangold: Nein, nicht wirklich. Wir überlegen, was zu uns passen könnte. Manche Kontakte ergeben sich zufällig oder bestanden schon vor unserer Zusammenarbeit. Wir spielen zwar beide gerne Neue Musik, wollen aber mit unseren Anfragen an Komponisten auch eine große Bandbreite an Stilen bekommen, welche im Grunde von südamerikanischer Folklore bis zur genuin Neuen Musik alles an klassischer Musik enthalten sollen. Diese Vielfalt ist uns sehr wichtig, weil sie Spaß macht und man damit abwechslungsreiche Konzertprogramme zusammen stellen kann.
Wird es noch mehr Kompositionen für Euch geben, oder ist vielleicht gerade schon etwas in Arbeit?
M. Mangold: Es ist sogar einiges in Arbeit! René Mense, auf den ich durch einen Artikel in dieser Zeitschrift aufmerksam wurde, hat gerade eine dreisätzige Sonate für uns fertiggestellt, welche wir im September in Detmold uraufführen werden. Narciso Saul, ein argentinischer Tangokomponist arbeitet gerade an drei Tangos für uns. Es freut mich auch besonders, dass Juan Manuel Cortés uns und unsere CD an seinen Komponistenkollegen Francisco Serrano weiterempfohlen hat. Francisco Serrano hat auch bereits mit der Arbeit an einem neuen Stück für uns begonnen. Es wäre schön, wenn unsere Arbeit auf diesem Wege noch weitere Kreise ziehen würde. Außerdem gibt es noch eine Zusage des brasilianischen Komponisten Marlos Nobre. Ich finde es unglaublich spannend, für unsere so seltene Besetzung Neues anzuregen und aufzuführen.
Das klingt sehr interessant und vielversprechend. Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg!